Tatort Biodiversität

Am 22. Mai 2024 stand das Ballenlager in Vaduz ganz im Zeichen der biologischen Vielfalt. Gemeinsam mit 200 Besucherinnen und Besuchern haben wir uns auf die Spurensuche nach mehr biologischer Vielfalt gemacht. Mit dabei waren: Doktor Whatson, Stefan Gubser und viele Initiativen aus Liechtenstein. 

Unter dem Titel  „Tatort Biodiversität“ begrüssten Moderator Peter Beck und der persönlich engagierte Tatort-Kommissar Stefan Gubser einen vollen Saal im Ballenlager in Vaduz. Neben den beiden aus den sozialen Medien bekannten Naturaktivisten Doktor Whatson und bee.steez, wurden insgesamt zwölf aktuelle Projekte aus Liechtenstein in Kurzpräsentationen vorgestellt.

Dem Thema Vielfalt entsprechend waren auch deren Präsentationen bunt gemischt. So erzählte „Asphaltknackerin“ Bettina Walch gleich zu Beginn, wie sie mit ihrem Projekt Menschen unentgeltlich dabei unterstützt, versiegelte Flächen wieder in Grünoasen zu verwandeln – kostenfreier Abtransport und Entsorgung des Asphalts inklusive. Danach machte Patrick Marxer, Werkhofleiter in Mauren, Werbung für ein schonendes Mähen von Wiesen, durch das man Fauna und Flora wertvolle Dienste erweisen kann. Im Anschluss zeigte Luca Karau, was in Unternehmen unter „Corporate Volunteerung“ alles möglich ist. Als LLB-Mitarbeitender haben er und Kolleg:innen mit Unterstützung von Elias Kindle, Geschäftsführer der LGU, etwa in einem Rebberg in Bendern angepackt und dort mit dem Anlegen von Stein- und Asthaufen sowie Sandinseln kleine, aber enorm wertvolle Lebensräume geschaffen. Für den Abschluss des ersten Präsentationsblocks sorgte schliesslich Josef Biedermann, der sich als Präsident der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft Liechtensteins unter anderem für den Schutz von Bestäuber-Insekten stark macht. Die Dringlichkeit dieses Anliegens unterstrich er mit einem eindrücklichen Foto aus China, wo in einzelnen Gebieten die Bestäubung von Obstbäumen bereits von Menschenhand erfolgen muss.

Auf den über viele Jahrzehnte tätigen Naturschützer Josef Biedermann folgte ein Zeitensprung: Moderator Peter Beck holte mit dem 20-jährigen Quentin Kupfer jemanden auf die Bühne, der sich unter dem Namen @bee.steez als Bienen-, Vogel- und Naturfreund mit kurzen Videoclips auf verschiedenen Social-Media-Kanälen eine riesige Fangemeinde aufgebaut hat. Auf einem Bauernhof in Bayern aufgewachsen, machte Quentin bereits früh Erfahrungen mit Honigbienen. Er erzählte, wie ein Video von ihm, in dem er einen Bienenschwarm einfing, schnell viral ging und den Beginn seiner Karriere mit allein auf TikTok rund 1.4 Millionen Followern begründete. Zur Veranschaulichung zeigte Quentin schliesslich noch einen Filmbeitrag, in dem er gemeinsam mit dem liechtensteinischen Arachnologen Holger Frick auf Spinnensuche am Rheindamm zu sehen ist.

Im folgenden zweiten Präsentationsblock machte Mathias Vogt den Anfang. Der Architekt aus Balzers setzt sich in seiner Arbeit für biodiverse Architektur ein, die von mehr Grünflächen bis zur Vermeidung von Lichtverschmutzung reicht, welche insbesondere nachtaktive Insekten massiv gefährdet. Im Anschluss erzählte Michaela Hogenboom Kindle, wie es dem Verein Feldfreunde gelingt, nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Ernährung und kulinarischen Genuss unter einen Hut zu bringen und zu fördern. Ähnlich genussvoll und wichtig ist auch die Arbeit des Vereins Hortus, der sich – vertreten durch Markus Beck – für die Erhaltung von alten Kulturpflanzen einsetzt. Ökologe und Umweltpädagoge Jürgen Kühnis und sein Sohn Julian beendeten den zweiten Präsentationsblock. Die beiden animierten in ihrem Vortrag dazu, auf Entdeckungsreise und Spurensuche zu gehen. Nur so lernt man, auch ungewöhnliche Zusammenhänge in der Natur zu verstehen: etwa warum Brennnesseln für Schmetterlinge oder Kuhfladen für Insekten so wichtig sind. Oder wie es der 11-jährige Julian auf den Punkt brachte: „Die Natur ist viel spannender als jedes Schulbuch.“

Ähnlich spannend waren anschliessend auch die Ausführungen von Keynote Speaker Cedric Engels, besser bekannt als Doktor Whatson, der seinen über 330.000 Followern auf YouTube die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Themen einfach und verständlich näherbringt. Cedric gab anschauliche Einblicke, wie es ihm gelingt, selbst komplexe Inhalte zum Thema Biodiversität gut zu vermitteln – von der bereits bedenklichen Bedrohung über erstaunliche Fakten bis zu Mut machenden Ideen und Anregungen.
Ehe Doktor Whatson danach noch bei der abschliessenden Panelrunde Rede und Antwort stand, läutete Peter Beck die letzte Präsentationsrunde von liechtensteinischen Biodiversitätsprojekten ein. Den Anfang machte Cathérine Frick vom Amt für Umwelt und ein von ihr betreutes „Citizen Science“-Projekt, bei dem das Monitoring von seltenen Käferarten im Fokus steht. Konkret hat dabei jeder und jede im Land die Möglichkeit, Vorkommen von Alpenbock und Hirschkäfer einfach und direkt online zu melden und so wissenschaftlich wertvolle Daten zu liefern. Als nächster kam Oliver Müller, ebenfalls Mitarbeitender im Amt für Umwelt, an die Reihe. Er betreut die dort ins Leben gerufene „Sträuchertauschaktion“, bei der man auch dieses Jahr ab August wieder gratis oder zumindest sehr kostengünstig schädliche Neophyten durch einheimische Pflanzenarten ersetzen kann. Danach tauchten die anwesenden Gäste mit Gewässerökologe Rainer Kühnis unter: Anhand des sogenannten Bitterlings führte er die Bedeutung von Biodiversität auch unter Wasser vor Augen. Dieser auch in Liechtenstein lebende Karpfenfisch ist nämlich bei der Fortpflanzung auf eine spezielle heimische Muschelart angewiesen. Ganz im Zeichen von naturnahen Gärten stand in Folge die Kurzpräsentation von Heinz Biedermann, der als Anregung dazu einlud, den in Ruggell befindlichen Naturschaugarten zu besuchen. Für einen würdigen Abschluss der insgesamt zwölf Kurzpräsentationen sorgte schliesslich Marc Risch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie:  Mit einem Augenzwinkern  als Gartenzwerg „Mini-Me“ verkleidet, gab er ein Gedicht zum Besten, das auf kurzweilige Weise beleuchtete, welchen Wert Biodiversität auch für die mentale Gesundheit besitzt.
 

Bevor die Veranstaltung in die Zielgerade einbog, bat Moderator Peter Beck noch vier Teilnehmer:innen zu einer kurzen, abschliessenden Talkrunde zu sich auf die Bühne: Stefan Gubser, Jürgen Kühnis, Doktor Whatson sowie die Kommunikationsexpertin Joëlle Loos. Trotz unterschiedlichster Zugänge zum Thema war man sich einig, dass es bei allen Biodiversitätsbemühungen darauf ankommt, über die sogenannte „Green Bubble“ aus ausschliesslich naturaffinen Personen hinaus auch eher naturferne Gesellschaftskreise anzusprechen. In diesem Zusammenhang betonte das hochkarätige Panel, wie wichtig dabei junge, engagierte Menschen wie @bee.steez oder Doktor Whatson sind, die meisterhaft und mit grosser Breitenwirkung Social-Media-Kanäle nutzen.

Einvernehmen herrschte auch in Sachen Kommunikation: Diese solle und müsse zwar klare Fakten liefern, aber ohne die Dringlichkeit zu schmälern, auf lustvolle und neue Weise die Thematik vermitteln. Gerade das Thema Biodiversität habe sogar das Zeug dazu, quer durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen positiv erlebbar zu sein und Neugier zu wecken. Letztendlich sei es entscheidend, möglichst viele Menschen zum Handeln zu motivieren und mit gutem Beispiel voranzugehen, ohne dafür selbst Expert:in sein zu müssen. Wie zum Beweis pflanzte Moderator Peter Beck zum Abschluss noch unter der fachkundigen Anleitung von Naturgärtnerin Claudia Ospelt-Bosshard Margeriten als typische einheimische Blumenart in ein kleines Hochbeet auf der Bühne.

Mit einem schmackhaften Apéro aus der AckerKüche, die ausschliesslich regionale und saisonale Köstlichkeiten servierte, klang der rundum gelungene Abend aus. Den Akteur:innen und Gästen blieb so noch genügend Zeit für das, was gerade bei einem vielschichtigen Thema wie der Biodiversität enorm wichtig ist: das Vernetzen von Ideen und Projekten, das zwanglose Kennenlernen sowie der persönliche Austausch.

„Wir sehen diese Veranstaltung als eine Art Meilenstein, um dem Thema Biodiversität im Land mehr Raum und Gehör zu verschaffen. Und gleichzeitig hoffentlich auch als Initialzündung und Startschuss für viele weitere Projekte und Aktionen“, resümierte Geschäftsführerin Michelle Kranz. Von der Hilti Family Foundation Liechtenstein selbst ist dieses Jahr unter anderem noch ein eigens geschaffener Escape Room geplant, in dem sich Familien, Schulklassen oder auch Gruppen von Arbeitskolleg:innen spielerisch dem Thema Biodiversität nähern können.

Text: Paul Herberstein
Bilder: Tatjana Schnalzger und Michael Zanghellini
 

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